Roman Miserre hat seinen langjährigen Job gekündigt , um ein privates Projekt zu starten : Mit Fahrrad und Zelt um die Welt radeln . Uns hat er erzählt , was ihn antreibt .
Interview : Angelika Otto & Anja Bethge , Fotos : Roman Miserre
Du warst insgesamt 20 Jahre beim gleichen Arbeitgeber – eine halbe Ewigkeit . Wie hat dich diese Zeit geprägt und verändert ? Ich bin definitiv jemand anderes . Alles andere wäre nach 20 Jahren aber auch eine biografische Vollkatastrophe . Was ich über Management , Leadership , Unternehmertum und Mut weiß , habe ich während und durch meine Zeit bei Hubert Burda Media gelernt . Ein paar Punkte blieben aber auch stabil . Von vor meiner Zeit bei Burda stammt etwa ein Vertrag ,
ZUR PERSON
Dr . Roman Miserre ( 53 ) ist Jurist und ehemaliger Geschäftsführer bei Hubert Burda Media . Wenn er nicht arbeitet , flaniert er durch die Welt . Sein neues Abenteuer : ab April mit dem Fahrrad Richtung Georgien und Seidenstraße .
� @ roman _ discovers den ich mit mir als 30-Jähriger schloss : Egal , wo du beruflich stehst , spätestens alle 10 Jahre kündigst du , trittst einmal aus deiner Kammer heraus und schaust dir in Ruhe an , was du gelernt hast und von welchen Aspekten des Lebens du gerne mehr hättest . Diesen Vertrag habe ich eingehalten , wie es sich für einen Juristen gehört : Meine 20 Jahre beim gleichen Arbeitgeber waren nämlich unterbrochen durch eine erste große Reise .
2013 bist du schon mal ein Jahr lang um die Welt gereist , unter anderem durch Äthiopien , Iran , Laos und China . Wie kam es zu dieser Idee ? Damals wollte ich mit ausreichend Zeit Länder besuchen , von denen ich nur Vorurteile oder Klischees kannte und denen ich zutraute , mich zu verunsichern . So entstand meine Reiseliste . Die Länder , die du gerade genannt hast , sind übrigens weiterhin meine absoluten Reiseempfehlungen , um sein Denken neu zu kalibrieren .
� Bei seiner ersten Weltreise vor 10 Jahren erklomm Roman das Nationalheiligtum der Zoroastrier in der iranischen Wüste ...
� ... und in Äthiopien stieg er auf die Simien Mountains .
Ab Ende März 2024 startest du in ein neues Abenteuer und wirst für eine längere Zeit mit Rad und Zelt Richtung Seidenstraße aufbrechen . Was treibt dich diesmal an ?
Bei dieser neuen Reise bin ich anders vorgegangen . Ich suchte nach einem Konzept der Langsamkeit und des Flanierens , bei dem ich überall dort anhalten kann , wo ein Ort oder Mensch zu mir spricht . Die Fortbewegung per Rad kam mir – trotz meiner Unsportlichkeit – als ideale Kombination von Entschleunigung und Vorankommen vor .
Was sagt deine Frau dazu ? Berechtigterweise ist das DIE Top 1 der mir am häufigsten gestellten Fragen . Es ist mir jedenfalls nicht gelungen , ihr die Aussicht , im Kaukasus im Regen ein bockschweres Rad den Berg hochzuschieben , als lohnenswertes Projekt zu verkaufen . Auch das gemeinsame Anschauen von Netflix-Raddokumentation bestärkte sie in ihrer Haltung . Aber sie wird mich alle zwei Monate irgendwo auf der Welt besuchen . Und sie baut unsere Wohnung während der Reise zur WG um . Es wird also definitiv für uns beide ein Abenteuer .
Was waren die anderen am häufigsten gestellte Fragen ? Top 2 war : Fährst du mit einem E-Bike ? Ja , würde ich sofort machen , da habe ich gar keinen falschen Stolz . Aber wo soll ich das Ding da draußen aufladen ? Ich bin froh , wenn mein Solarpanel das Handy schafft . Top-3-Frage : Wie finanzierst du das ? Nun , mit Kocher , Zelt und Rad in die Welt zu fahren , kostet wahrscheinlich weniger als sich einen Gebrauchtwagen zu kaufen . Will sagen : Ich habe kein Auto .
� Diese Art zu reisen ist Roman nicht unbekannt , hat er doch schon so manches Wochenende in der freien Natur verbracht .
� Aber auch seine erste Pauschalreise hat er genossen – kürzlich mit seiner Frau Bettina im Oman .
Vor der großen Weltradreise warst du mit deiner Frau jetzt nochmal im Oman . Was war das für eine Reise ? Das war eine Premiere nach 53 Jahren : Boutique Hotel , Strand , Halbpension , kurz : Ich habe Urlaub ganz ohne Reisen gemacht . Und mir auf dem Weg vom Strand zum Buffet tatsächlich die Frage gestellt : Warum zum Teufel muss man sich mit Rad , Zelt , harter Isomatte und Kocher über sechs Monate an die Seidenstraße ranquälen , wenn man in sechs Stunden hier sein kann und sich bestens versorgt fühlt ?
Was ist dir eigentlich wichtiger : das Ziel oder die Reise ? Ah , jetzt beginnt der philosophische Teil des Interviews . Meine ganze Reise hat ja gar kein Ziel , schon deswegen kann ein solches gar nicht wichtig sein . Es geht mir darum , für einen bestimmten Zeitraum , dem Zufall , den wir oft als Störfall missachten , eine möglichst große Angriffsfläche zu geben . Beruflich sieht das anders aus : Hier zählt schon das Ziel . Hier müssen wir am Ende Nägel in die Wand gehauen bekommen und nicht nur darauf hoffen , dass per Zufall uns mal der richtige Hammer in die Hand rutscht .
Du bist nun kurz vor dem Aufbruch : Bist du sehr aufgeregt ? Ich würde gerne sagen , dass ich diesem Abenteuer entspannter entgegensehe . Aber das wäre gelogen : Ich bin durch und durch aufgeregt , mit der Tendenz zur leichten Panik ( lacht ). Die meisten mir aus Instagram bekannten Weltradler sind eher kernige 30-Jährige . Ich hingegen bin 53 , eher unsportlich und schnell außer Atem , also definitiv ein Allerweltsmensch wie die meisten von uns . Deswegen bin ich so gespannt , was es mit mir macht , bald viele tausende Kilometer mit Rad und Zelt unterwegs zu sein . Und ob es mir gelingt .
Können wir deiner Reise irgendwo folgen ? Eine Netflix-Dokumentation wird daraus jedenfalls nicht . Aber ich werde auf LinkedIn , Facebook und Instagram von Zeit zu Zeit ein paar „ lessons from the road “ teilen . Und natürlich hier in The Voyager .
� Erste Probefahrt mit voll beladenem Rad .
� Dieses Zelt wird von nun an Romans neues Zuhause sein – probeweise in der Wohnung aufgebaut .