VOM NORDKAP NACH DEUTSCHLAND 3.645 Kilometer zu Fuß gen Süden
Nach 46 Arbeitsjahren erfüllte sich der Franke Walter Wärthl seinen Traum: loslaufen, ohne Plan, nur mit Zelt und Ziel im Kopf. 2014 ging er von Velden nach Paris, 2016 nach Rom – stets vom Gartentor aus. Dann fasste er einen neuen Plan: vom Nordkap zurück nach Hause.
Text: Heiko Beyer, Bilder: Walter Wärthl
V on ganz weit weg einmal zu Fuß nach Hause laufen – verrückt? Vielleicht. Aber vor allem: ein Lebenstraum. Ein Gedanke, der sich leise einnistet, an einem tristen Novemberabend. Während andere sich durch Serien klicken, wandert Walter Wärthl per Google Maps durch Europa – auf der Suche nach … ja, nach was eigentlich? Irgendetwas Großem. Und dann bleibt der Mauszeiger hängen. Am Nordkap. Der nördlichste Punkt Europas. Karg, rau, unbarmherzig – und doch irgendwie magnetisch.
ZUR PERSON
Walter Wärthl, Jahrgang 1952, genießt seit seinem frühzeitigen Ruhestand 2013
ein aktives Leben voller Bewegung und Abenteuer. Dabei verbindet er seine Liebe zur Natur mit der Fotografie und hält seine Erlebnisse in mitreißenden Vorträgen fest.
� walter-waerthl. jimdofree. com
Von hier aus einfach Richtung Süden. Nach Hause. Immer nur bergab. So zumindest die Theorie.
Kurz darauf folgt Walters wohl wichtigste Frage des Projekts – die an seine Frau Susanne: „ Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich für längere Zeit allein unterwegs bin?“ Der Moment ist gut gewählt. Und Susanne überrascht mit Neugier und Begeisterung. Die Idee wird zum Plan.
� Starkwind, Kälte und Nässe waren in den ersten sechs Wochen Walters ständige Begleiter. Doch gerade dieses Wetter bot dem Hobbyfotografen unzählige stimmungsvolle Motive, wie diese Aufnahmen von den Lofoten zeigt.
Die Vorbereitungen beginnen. Eine Reise dieser Dimension braucht Ausrüstung für alle Eventualitäten: ein neues, etwas größeres Zelt, das auch tagelangen Dauerregen aushält. Ein ultraleichter Kocher, Titanbesteck, wetterfeste Kleidung für Sommer wie Winter. Drei Kameras inklusive Stativ, Akkus, Speicherkarten – alles muss mit. Ja, auch die Zahnbürste. Auch Notration für den „ Ernstfall“. Der altgediente Joggingkinderwagen, in dem und auf dem alles verstaut wird,
Den eigenen Weg selbst bestimmen zu dürfen, ein Erlebnis von Freiheit. wiegt am Ende rund 40 Kilo. Kein Spaziergang, das wird schnell klar.
An einem sonnigen Tag im Mai bringt ihn ein Freund mit dem Auto zum Nordkap. Drei Tage Fahrt, zehn bis zwölf Stunden täglich – und mit jedem Kilometer wächst in Walter die Ehrfurcht. Je näher das Ziel rückt, desto weiter entfernt sich der Mut. Und dann ist er da. Am nördlichsten Punkt des europäischen Festlands. Es ist kalt, der Wind tobt, der Himmel hängt tief. Kein würdiger Start – und doch der richtige Moment. Um 2:00 Uhr morgens – taghell, wie es im nordischen Sommer eben ist – fällt der erste Schritt. Der Nebel verzieht sich langsam, ein paar Rentiere begleiten den Anfang. Und dann ist da nur noch Stille. Und der Weg.
� Pausen sind wichtig: Walter hatte alles dabei – vom ultraleichten Kocher bis zum Titanbesteck.
Was folgt, ist eine Reise der Extreme – körperlich, emotional, seelisch. Sechs Wochen lang regnet es fast ohne Unterbrechung. Kälte, Wind und Nässe werden zu ständigen Begleitern. Die Kleidung klamm, der Schlafsack feucht, das Aufstehen am Morgen eine echte Überwindung. Und doch ist genau dieses Wetter für einen Fotografen ein Segen. Das Licht – einzigartig. Die Stimmungen – dramatisch. Die Landschaft wie aus einer anderen Welt.
Und mittendrin: Walter. Allein. Oder fast allein. Immer wieder trifft er Menschen, die seine Reise bereichern. Wie Tine und Andreas, ein junges norwegisches Pärchen mit riesigen Rucksäcken. Sie geben wertvolle Tipps – und verschwinden wieder in den Weiten des Nordens.
Ein besonderes Erlebnis bleibt ein Moment auf der sturmgepeitschten Insel Andøya. Es regnet waagrecht, der Wind pfeift. Ein holländisches Wohnmobil überholt, hält an. Die Tür geht auf. „ Brauchen Sie Hilfe?“, wird er gefragt. Ein Stück mitfahren? Wie verlockend. Und doch: Nein, danke. Der Weg soll ehrlich sein. Und das heißt eben manchmal auch: durchhalten.
� Es gab auch Tage ohne Regen, an denen Walter mit der grandiosen Landschaft Norwegens überschwänglich entschädigt wurde.
Doch es gibt auch die anderen Tage. Sonnige Etappen durch majestätische Fjordlandschaften, durch Wälder und vorbei an einsamen Seen. Der Süden rückt näher, die Temperaturen steigen – und bringen eine neue Herausforderung: Hitze. Die letzten 800 Kilometer – von Rostock bis ins heimische Velden – werden zur Tortur bei bis zu 40 Grad. Und trotzdem: Es ist der Endspurt. Der Lohn wartet.
Nach 98 Tagen und exakt 3.645 Kilometern ist es so weit: Walter biegt in seine Straße ein. Er sieht sein Haus. Und bricht in Tränen aus.
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Beim Erlanger Fernweh Festival erzählt er seine Geschichte am Freitag, den 14. November – live auf großer Bühne, mit Bildern, Videos, Tagebucheinträgen und viel Herz. Eine Geschichte vom Gehen. Vom Aushalten. Vom Staunen. Und davon, wie gut es tun kann, sich wirklich Zeit zu nehmen.
„ Vom Nordkap nach Franken“
Die Live-Multivision von Walter Wärthl zu sehen auf dem Fernweh Festival in Erlangen am 14.11.2025 um 20 Uhr in der Heinrich-Lades-Halle.
Infos und Tickets unter: www. fernwehfestival. com