The Voyager 16.10.2025 | Page 29

entdecken 29

JAPAN Wo Tradition auf

Hightech trifft

Japan ist wirklich das Land der Gegensätze. Hier treffen alte Rituale auf blitzende Hightech- Wunder. Ein Land, das sich über 200 Jahre lang von der Außenwelt abgeschottet hat – und heute Roboter als Hotelpersonal beschäftigt. Und der Fotojournalist Oliver Bolch mittendrin.

Text & Bilder: Oliver Bolch

S chon in den 90ern war ich zweimal dort, aber diese Faszination hat mich nie losgelassen. In den letzten Jahren bin ich gleich viermal zurückgekehrt – vom rauen Norden Hokkaidos bis zur grünen Vulkaninsel Kyushu im Süden. Und jedes Mal hat mich dieses Land wieder umgehauen. Die Schönheit Japans zeigt sich oft erst auf den zweiten Blick. Manchmal muss man sie suchen – oder sie findet einen ganz unverhofft.“

Ich erinnere mich, wie ich zum ersten Mal wieder auf

ZUR PERSON

Oliver Bolch ist Reisefotograf, Vortragender und Mitgründer der Photo + Adventure Wien. Seit über 30 Jahren zeigt er in Bildbänden und Live- Reportagen seine vielfältigen Eindrücke aus aller Welt.

� @ oliverthetravel photographer

� www. oliver-bolch. at dem Roppongi Mori Tower stand. Unter mir ein endloses Meer aus Beton und Neon – Tokio eben. Am Horizont sieht man die Berge, wenn sie nicht im Dunst verschwinden. Nach über 20 Jahren war ich zurück und wollte diesmal mehr entdecken als Sushi vom Fließband und Tempel aus dem Reiseführer.

� Menschenströme im Sekundentakt: Die berühmte Shibuya Crossing in Tokio gilt als die belebteste Kreuzung der Welt.

Mein erster Halt: Shibuya. Die berühmte Kreuzung. Hier überqueren zur Rushhour bis zu 10.000 Menschen gleichzeitig die Straße – und das erstaunlich ruhig und geordnet. Bei Regen wird daraus ein Ballett aus durchsichtigen Regenschirmen, die über den Asphalt schweben.

Der Bahnhof Tokio ist ein Labyrinth für sich. Gleise in alle Richtungen, Unterführungen, verschiedene Linien – ich hätte mich verloren ohne meine App und den Japan Rail Pass. Der Pass ist Gold wert, bringt mich fast

„ Japan ist durchorganisiert und voller Überraschungen, laut und leise, vertraut und fremd.“ überall hin – bis auf die paar Privatbahnen, in die ich aus Versehen manchmal einsteige.

Ein ruhiger Ort ist Matsumoto mit seiner „ Krähenburg“, einer der letzten original erhaltenen Burgen Japans. Diese Burg überlebte die Meiji-Restauration, bei der vieles Alte zerstört wurde. Und überall spürt man die Höflichkeit, die hier einfach dazugehört – das beeindruckt mich jedes Mal.

In Komatsu erlebt man Japan von einer ganz anderen Seite. Bekannt für Baumaschinen, ist die Stadt beim Otabi-Fest voller Leben. Männer ziehen tonnenschwere Festwagen durch die engen Gassen, während Kinder Kabuki-Theater aufführen – in so alter Sprache, dass selbst Japaner Untertitel brauchen. Shakespeare auf Japanisch, mit Liebe, Intrigen und Drama.

� Blick auf Matsumoto: Die historische Burgstadt am Fuße der japanischen Alpen.

Dann geht’ s weiter nach Hokkaido, Japans kühlem Kopf mit einem heißen Herzen. 2020 war ein schneearmer Winter mit 8 bis 10 Metern Schnee – für uns immer noch unfassbar viel. Mein Ziel waren die Mandschurenkraniche, einst fast ausgestorben, heute dank engagierter Bauern und Kinder im Kushiro-Shitsugen-Nationalpark wieder zahlreich unterwegs. Diese eleganten Vögel wirken wie Supermodels im Winteroutfit, während ich mit klammen Fingern versuche, die perfekten Bilder zu machen.

Am Kussharo-See gibt es ein anderes Winterwunder: Singschwäne, die in heißen Quellen baden. Die dampfenden Wasserflächen umgeben von Schnee sehen aus wie eine Wellness-Oase für Vögel. Mit ein bisschen Glück locke ich sie mit Brotkrumen zu einer perfekten Pose – eine echte Geduldsprobe bei Minusgraden.

Mein Highlight ist aber Shiretoko, die Halbinsel am Ende der Welt. Frühmorgens fahre ich mit dem Boot hinaus ins Packeis. Es ist still, nur das Knirschen der Eisschollen und das Klicken der Kameras. Riesenseeadler kreisen über uns, als wäre der Himmel ihr exklusiver Privatclub. Ein Moment, der sich ins Herz brennt!

https:// youtu. be / HqEweBUR0b0

Japan ist für mich durchorganisiert und voller Überraschungen, laut und leise, vertraut und fremd. Und manchmal, wenn Schnee fällt und Kraniche tanzen, einfach nur märchenhaft. Von all dem erzähle ich am 15. November 2025 live beim Fernweh Festival in Erlangen. Ich freue mich, Euch dabei zu haben!

„ Japan“

Die Live-Multivision von Oliver Bolch ist auf dem Fernweh Festival in Erlangen am 15.11.2025 um 11 Uhr in der Heinrich-Lades-Halle zu sehen.

Infos und Tickets unter: www. fernwehfestival. com