The Voyager 29.05.2025 | Page 19

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MEIN REISETAGEBUCH

„ Keine Sehenswürdigkeiten-Checkliste. Nur Begegnungen, Ausblicke und echtes Leben in Orizaba.“

Nico Metzger, Redakteur

M anchmal findet man die besten Reiseziele dort, wo keiner hinschaut. So fühlte sich mein Besuch Mitte April in Orizaba, im mexikanischen Bundesstaat Veracruz, an. Keine Touristenmassen, keine durchinszenierte Kulisse – stattdessen eine Stadt, die echt, lebendig und überraschend entspannt ist. Vielleicht lag es an der Tatsache, dass meine Begleitung und ich die einzigen westlichen Besucher weit und breit waren. In den Cafés, auf den Plätzen, in der Seilbahn – um uns herum fast ausschließlich Einheimische oder mexikanische Reisende, die hier selbst Urlaub machten. Genau das machte die Erfahrung so besonders: Man war mittendrin, statt nur zu Gast.

� Nervenkitzel für Mutige: 312 m hoch und 15 m lang ist das „ Atalaya de Cristal Orizaba“. Der Eintritt betrug bei meinem Besuch rund 2,30 Euro.

� Kanalblick in Orizaba: historische Fassaden und fließendes Wasser im Stadtzentrum.

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Natürlich haben wir auch den Hausberg der Stadt bestiegen – den Cerro del Borrego. Die Wanderung nach oben ist machbar und führt durch grüne Hänge, alternativ gibt’ s auch eine Seilbahn. Oben angekommen bietet sich ein weiter Blick über Orizaba, dazu ein kleiner Freizeitpark, das Glas-Plateau „ Atalaya de Cristal“( ja, es knirscht ein wenig unter den Füßen!) und ein Museum zur Schlacht, die hier 1862 zwischen Mexiko und Frankreich stattfand. Es war nicht das spektakulärste Erlebnis der Reise, aber ein schöner Halbtagesausflug mit lokalem Flair.

Was mir dafür wirklich in Erinnerung geblieben ist: die Dachterrassen-Cafés der Stadt. Einige Restaurants öffnen schon am Morgen, und wenn man dann mit einem Café de Olla in der Hand auf Orizaba hinunterschaut, beginnt der Tag auf die angenehmste Weise. Besonders das Casa Aulicaba Restaurante hat es mir angetan – auf der Terrasse zwischen Pflanzen und Kolonialflair fühlt man sich wie in einem anderen Jahrhundert. Und das Frühstück? Einfach, aber sehr gut.

Ein weiterer Lieblingsmoment: unser abendlicher Besuch in einer der örtlichen Cantinas. Diese traditionellen Kneipen sind echte Treffpunkte der Stadt, und obwohl

� Mein herzhaftes Frühstück bestand aus „ Enchiladas Rojas“ und einem frisch gepressten Orangensaft. mein Spanisch nicht über „ hola“ und „ gracias“ hinausgeht, kamen wir immer wieder ins Gespräch. Es wurde gelacht, getrunken, erzählt – die Herzlichkeit der Menschen war überwältigend. Es war ein kleines Stück Mexiko, ganz ohne Filter – und vielleicht genau deshalb so besonders.

Und dann war da noch der Citlaltépetl, der Pico de Orizaba – mit 5.636 m Mexikos höchster Vulkan. Wir haben ihn nicht bestiegen, dafür reichen ohne alpine Erfahrung weder Ausdauer noch Ausrüstung. Aber als stiller Begleiter am Horizont war er immer präsent. Ein Berg wie ein Versprechen: dass noch viel mehr auf einen wartet, wenn man wiederkommt.

Meine 5 Tipps für Orizaba

1

Rechtzeitig Überblick verschaffen Wer aus Mexiko-Stadt oder Puebla anreist, konnte sich zuvor für den Transport auf Uber verlassen. In Orizaba kann es je nach Programm sinnvoll sein, ein Auto zu mieten. Beispielsweise für die Fahrt zum Nationalpark „ Cañón del Río Blanco“.

2

Das Wetter Immer für eine Überraschung gut: Orizaba liegt tiefer als Mexiko-Stadt und näher an der Golfküste – das merkt man. Es ist feuchter, oft bewölkt, manchmal schwül. Wer klare Vulkansicht erwartet, braucht auch immer einen Funken Glück. Wer sich aufs Spiel der Wolken einlässt, wird dafür mit Atmosphäre belohnt.

3

Trau dich: Iss wie die Einheimischen Natürlich gibt es auch Toast und Croissants. Aber warum sollte man in Orizaba nicht Chilaquiles frühstücken? Ich habe sie einmal probiert – danach fast jeden Tag verspeist. Die Kombination aus weichen Tortillastreifen, scharfer Sauce, Käse und Ei war einfach zu gut, um sie wieder auszulassen.

4

Wenn die Stadt leuchtet Orizaba hat nachts einen ganz eigenen Zauber. Besonders rund um den Palacio

de Hierro, der abends stilvoll angestrahlt wird, entsteht eine fast romantische Stimmung. Perfekt für einen Spaziergang – oder einen Drink in einer der Cantinas gleich um die Ecke.

5

Ein Park für alle Generationen Der Parque Francisco Gabilondo Soler – auch bekannt als „ La Alameda“ – ist viel mehr als ein Stadtpark. Hier trifft Geschichte auf Spielplatz, Denkmal auf Canopy-Seilbahn. Ob mit Kind, Hund oder Jogging-Schuhen: Wer Orizaba erleben will, sollte hier mindestens einmal vorbeischauen.