The Voyager Extrablatt Malta & Gozo 04.12.2025 | Page 27
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INTERVIEW „ Essen ist die universellste Sprache, die es gibt.“
Leanne Meilak ist eine in Australien geborene Gozitanerin, die auf die Insel zurückgekehrt ist, um sich wieder mit ihren Wurzeln zu verbinden und die Geschichten, Aromen und Traditionen zu teilen, die Gozo so besonders machen. Wir haben mit ihr über ihre persönliche Reise und ihre Liebe zur Insel gesprochen.
Interview: Dragana Mimic, Fotos: Taste of Gozo
Leanne, du bist in Sydney als Tochter von Einwanderern der ersten Generation aus Gozo geboren. Wie präsent
ZUR PERSON
Leanne Meilak stammt aus Sydney. Nach vielen Jahren als Lehrerin entschied sie sich für ein neues Leben auf Gozo und gründete Taste of Gozo, wo sie heute authentische kulinarische Touren anbietet.
� @ tasteofgozo � tasteofgozo. com war Gozo in deiner Kindheit, obwohl du auf der anderen Seite der Welt aufgewachsen bist? Obwohl Sydney in Bezug auf Entfernung, Lebensstil und Kultur nicht weiter von Gozo entfernt sein könnte, war die Insel in unserem Zuhause allgegenwärtig. Meine Eltern hielten fest an ihren Wurzeln, vielleicht sogar noch stärker als vor ihrer Auswanderung. Wir sprachen zu Hause Gozitanisch, aßen die Speisen, mit denen sie aufgewachsen waren, feierten unsere Dorffeste, pflegten Kontakte innerhalb der gozitanischen Gemeinschaft und verbrachten jeden Urlaub auf der Insel, um Großeltern und Verwandte zu besuchen.
Was hat dich dazu inspiriert, dein Leben so grundlegend zu ändern und Gozo zu deiner neuen Heimat zu machen? Ich sehnte mich nach einem ruhigeren, ausgeglicheneren Lebensrhythmus und fühlte mich schon immer stark zu meiner Herkunft, zur Küche und zur Gastfreundschaft meiner Familie hingezogen. All das hat mich ganz selbstverständlich nach Gozo geführt. Dass mein Mann von der Insel stammt und meine Wertschätzung für diesen Ort teilt, machte den Schritt umso leichter. Am Ende fühlte sich der Umzug nicht wie eine mutige Veränderung an, sondern wie eine Entscheidung, die einfach richtig war.
� Wer Leanne während einer Tour erlebt, merkt schnell, dass sie mit echter Leidenschaft erzählt und ihre Liebe zu Gozo in jedem Detail weitergibt.
� Ftira ist eine Art Pizza auf Gozo und das Lieblingsessen von Leanne.
Du bist viel durch Südamerika, Asien und Europa gereist. Wie haben dich diese Erfahrungen geprägt – und was macht Gozo für dich zu einem besonderen Ort? Ich habe immer daran geglaubt, dass Reisen einen Menschen verändert – nicht spektakulär, sondern in kleinen, stillen Verschiebungen der Perspektive. In Südamerika, Asien und Europa habe ich erlebt, wie unterschiedlich Menschen ihren Alltag, ihre Werte und ihr
„ Gozo strahlt ein außergewöhnliches Gefühl von Ruhe und Zugehörigkeit aus.“
Tempo leben – und das hat meinen Blick auf vieles geschärft. Gozo hebt sich für mich von all diesen Eindrücken ab, weil die Insel ein außergewöhnliches Gefühl von Ruhe und Zugehörigkeit ausstrahlt. Neben ihrer natürlichen und historischen Schönheit ist es vor allem die Haltung zum Leben, die mich berührt: langsam, einfach, geerdet. Gozo erlaubt es, sich zurückzuziehen, ohne sich je einsam zu fühlen – ein Ort, der Stille schenkt und zugleich Gemeinschaft.
Das Essen spielt in deiner Geschichte eine große Rolle. Welche Gerichte, Aromen oder Erinnerungen verbindest du persönlich am stärksten mit Gozo? Essen bedeutet für mich weit mehr als Nahrung – es verbindet Menschen, schenkt Trost und schafft eine unmittelbare Nähe zwischen verschiedenen Kulturen. Der Duft, der mich am tiefsten mit Gozo verbindet, ist jener von Fenchel und Anis. An warmen Frühlingstagen wachsen diese Pflanzen wild entlang der Feldwege und erfüllen die Luft mit ihrem unverwechselbaren Lakritzgeruch – ein stiller Hinweis darauf, dass der Sommer und die Tage am Meer nicht mehr fern sind. Dieser Duft kehrt in vielen unserer traditionellen Kekse, Kuchen und Eintöpfe wieder. Für mich ist er der Inbegriff von Heimat.
Gozo wird oft als Ziel für einen Tagesausflug von Malta aus angesehen – dabei hat die Insel so viel mehr zu bieten. Wie erleben Sie Gozo als Reiseziel und was sollten Besucher Ihrer Meinung nach auf keinen Fall verpassen? Um Gozo wirklich zu erleben, musst du vom reinen Sehen ins Fühlen wechseln. Die Insel zeigt ihr Wesen langsam, fast leise. Wenn du dir bewusst Zeit nimmst, entdeckst du den alten Mann auf dem Dorfplatz, den Obstverkäufer, der jeden beim Namen kennt, oder den kleinen Lebensmittelhändler, der dir den besten Tipp für ein lokales Restaurant gibt. Natürlich solltest du die bekannten Sehenswürdigkeiten besuchen – aber die Seele von Gozo liegt in diesen einfachen, alltäglichen Momenten des Dorflebens. Schau dir Gozo nicht nur an. Werde ein Teil davon.
Auf Leannes kulinarischen Touren verweben sich Kultur und lebendige Geschichten über Gozo mit Besuchen in unabhängigen Bars, Restaurants, Cafés etc.
Gibt es ein Gericht oder Getränk, das für dich nach Kindheit, Heimat oder der wahren Essenz von Gozo schmeckt? Die Ftira aus Gozo versetzt mich sofort nach Hause. Ursprünglich ein Gericht für Arbeiter – es versorgte Bauern auf den Feldern und Fischer auf See mit Energie – liegt seine Schönheit in seiner Einfachheit: Kartoffeln, Zwiebeln, Kapern und sonnengereifte Tomaten auf einem kräftigen Brotboden. Die Ftira verkörpert Gozo selbst: einfach, robust, einfallsreich und voller Herz.
Was hat dich dazu inspiriert, „ Taste of Gozo“ zu gründen – und welche Vision hattest du, als du begonnen hast, das kulinarische Erbe der Insel mit anderen zu teilen? Im Kern war es ganz einfach: meine Liebe zum Essen und meine tiefe Leidenschaft für Gozo. Freunde haben mich schon immer als „ die perfekte Gastgeberin“ beschrieben – Taste of Gozo ist letztlich eine Weiterführung dieser Gastfreundschaft,
„ Essen verbindet – es ist der direkteste Weg, eine Kultur zu verstehen.“ die in meinem Zuhause längst selbstverständlich war. Meine Vision war es, Menschen unsere Kultur durch unser Essen näherzubringen – die universellste Sprache, die wir kennen. Taste of Gozo öffnet Türen zu Familienbetrieben, privaten Küchen und traditionellen Anwesen und ermöglicht Gästen einen Zugang zum echten Gozo, nicht nur zu der Version, die man von außen sieht. Ich liebe es, Besuchern die Chance zu geben, Einheimische zu treffen und echte Verbindungen zu knüpfen.
Im Jahr 2024 hast du den Gozo Business Niche Tourism Achievement Award erhalten. Was bedeutet diese Auszeichnung für dich persönlich und als Unternehmerin? Für Taste of Gozo war die Auszeichnung ein wichtiger Meilenstein. Persönlich hat es mich sehr ermutigt zu sehen, dass meine Arbeit wahrgenommen und geschätzt wird – und dass ich auf dem richtigen Weg bin. Unternehmerisch gibt sie meinen Gästen zusätzliches Vertrauen: Sie zeigt, dass die Erlebnisse, die ich anbiete, wirklich für Qualität, Authentizität und Sorgfalt stehen.
Wenn du nur einen Tag auf Gozo wärst: Wo würdest du frühstücken, was würdest du unternehmen – und wo würdest du den Sonnenuntergang erleben? Ich würde auf der lebhaften Pjazza San Ġorġ starten – mit handgemachten Pastizzi und einem Kaffee, während der Ort langsam erwacht. Danach würde ich durch die mittelalterlichen Gassen hinter der Basilika schlendern und die traditionellen Türen und Fassaden bewundern. Weiter ginge es zu den stillen Buchten im Osten, Daħlet Qorrot und San Blas, und zum Aussichtspunkt der Tal-Mixta-Höhle über der Ramla Bay. Eine Ftira aus einer kleinen Bäckerei gehört unbedingt dazu. Dann würde ich Richtung Westen fahren, vorbei an den Xwejni-Salinen, Wied il-Għasri und Wied il-Mielaħ, und mir einen Moment der Ruhe in Ta’ Pinu gönnen. Den Tag würde ich in Dwejra Bay beenden – dort ist ein Gozitanischer Sonnenuntergang unvergleichlich. Und der Abend? Am besten auf einem belebten Dorfplatz in Xagħra oder Nadur, um das echte Gemeinschaftsleben zu spüren.