The Voyager 03.04.2025 | Page 28

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INTERVIEW

„ Jede Reise hatte etwas, jeder Berg war ein besonderes Erlebnis.“

Bernd Ritschel

Majestätische und geheimnisvolle Gipfel voller Geschichten – Bernd Ritschel sprach mit uns über die Reise und sein Buch „ Europas heilige Berge“.

Interview: Ben Kraus, Fotos: Bernd Ritschel

D ie übermächtige, epische Aussicht in und auf ein Bergmassiv beflügelt und inspiriert die

Gedanken und Sehnsüchte der Menschheit schon immer. Wo man hinkommt, ranken sich Mythen und Legenden um Gipfel, Täler und Felsformationen. Bernd Ritschel hat sich gemeinsam mit Nina Ruhland besondere Berge für ihr Werk vorgenommen. Wir sprechen mit ihm über „ Europas

ZUR PERSON

Bernd Ritschel lebt in Kochel am See in unmittelbarer Nähe zu ‚ seinen‘ Bergen. Seit über 35 Jahren ist die Symbiose von Bergen und Fotografie für ihn eine Quelle der Inspiration. � lightwalk. de heilige Berge“.

Wie kam es zu Europas heilige Berge? Dazu muss ich kurz auf mein Leben als Bergsteiger blicken. Am Anfang, als junger Mann, stand bei mir die Leistung im Vordergrund: Begehungszeiten, Schwierigkeitsgrade, Gipfelhöhen. Die hochalpinen Aufträge waren für mich wichtig. Das gab Selbstbewusstsein und Image. Mit dem Älterwerden kamen mehr Muse und Leidenschaft für das Bergsteigen und die Fotografie hinzu. Nicht, dass es früher ohne Leidenschaft war – nur habe ich mir später mehr und bewusst Zeit genommen. Ich konnte dieses emotionale Thema, die heiligen Berge Europas, mit mehr Zeit genießen. Das war ein Geschenk: eine Woche Zeit zu haben, einen Berg von allen Seiten zu erleben, zu besteigen, zu fotografieren – und zu genießen.

� Schlern: Majestätisch und beeindruckend baut sich der Gipfel des Schlern inmitten der Dolomiten auf.

� Meteora: Insgesamt 24 Klöster gehören zu der unwirklichen Anlage in Thessalien, Griechenland.

Berge sind ja eher umfangreich. Waren Sie mit der Motivsuche dort nicht recht lange beschäftigt? Nicht alle, aber viele der von uns ausgewählten Berge sind eher unspektakulär. Deswegen war die große Herausforderung oft: Von welchem Standpunkt aus, mit welchem Vordergrund, bei welchem Licht und in welcher Konstellation bekomme ich spannende Bilder? Das ganze Buch ist kein spektakulärer Bildband – da hätte ich einen über Patagonien machen müssen, die Dolomiten oder Nepal. Berge wie der Donon, der Säuling, der Monte Amiata, der Vesuv – da ist man wirklich am Kämpfen auf der Suche nach tollen Motiven – nicht im Negativen. Das ist eine positive Herausforderung.

Wie lange waren Sie unterwegs? Es sind 22 Berge Europas, und ich war 22 Wochen unterwegs. Natürlich läuft die Produktion eines solchen Bildbands parallel zur Werbe- und Auftragsfotografie. Insgesamt waren wir über drei Jahre damit beschäftigt.

Wie haben Sie die Berge ausgesucht? Ich habe mir erstmal die zwei Bücher gekauft, die es zu dem Thema gibt. Dann habe ich angefangen, Beiträge zu sammeln. Warum, seit wann und wodurch gilt ein Berg als heilig? Ist der Zusammenhang ein religiöser – oder ist es ein Pilgerberg, dann gehört der Berg dazu. Bei anderen Bergen ist es die Mythologie aus dem Mittelalter.

� Elemente: Wenn der bergsteigende Fotograf in seinem Element ist – und die Elemente ihm die schönsten Fotomotive liefern.

� Paps of Jura: Die drei Berge auf der schottischen Insel Jura sind nicht nur unter Whisky-Kennern heilig.

Gab es einen speziellen Berg oder ein besonderes Ereignis für Sie? Am Rocciamelone pilgern die Menschen andächtig zur großen Madonna hoch. Das hat eine total eigene Energie und Stimmung – die erlebt man an anderen Bergen in dieser Form nicht. Am Eiger gibt es dieses Felsfenster am Ostgrad, an dem zweimal im Jahr ein gebündelter Lichtstrahl auf den Kirchturm von Grindelwald fällt – Wahnsinn.

Waren Sie allein unterwegs? Es gibt nichts Schöneres, als allein reisen zu dürfen, aber nichts Schlimmeres, als allein reisen zu müssen. Wenn ich allein unterwegs sein wollte, war es grandios, aber oft war ich einfach dankbar für die Begleitung, weil es etwas Schönes ist, so etwas gemeinsam zu erleben.

Gibt es noch Berge, die Sie gern bereisen würden? Ein kleineres Traumziel erfülle ich mir nächstes Jahr: der Ruwenzori in Uganda. Ein paar weitere Berge gäbe es auch noch. Aber die Kunst ist in meinem Alter das achtsame Differenzieren: Was mute ich meinem Körper zu, was ist noch möglich, wie weit kann ich mit der körperlichen Leistungsfähigkeit gehen, um noch gute Bilder zu machen?

Europas heilige Berge

24 x 28 cm 208 Seiten 160 Fotos 40 Euro Knesebeck Verlag